Von Knäkenten und Bergziegen – über die Bedeutung von Fachbegriffen
In jedem Beruf gibt es fachspezifisches Vokabular. Dieses hat den unschlagbaren Vorteil, sich mit den Angehörigen der gleichen Berufsgruppe schnell und präzise verständigen zu können. Für Außenstehende erschließt sich der Sinn dieser besonderen Geheimsprache nicht unmittelbar, wodurch das Gefühl des Ausgeschlossen-seins entstehen kann. In der Logopädie gibt es natürlich auch solche Fachbegriffe, mit denen Störungsbilder, Symptome etc. präzise beschrieben werden können (was sich nicht zuletzt aus der Nähe zu den – an Fachtermini reichen Grundlagenfächern Linguistik und Medizin – ergibt). Z.B. kennen LogopädInnen so sperrige Buchstabengebilde wie „transcorticale Aphasie“, „postdeglutitive Aspiration“, „cerebelläre Dysarthrophonie“, „hyperfunktionell“ uvm. (wobei zu hoffen ist, dass alle KollegInnen, die diese o.ä. Begriffe verwenden auch wissen, was sie bedeuten).
In der Logopädie wie in allen Berufen, bei denen ein Kontakt zwischen Fachleuten und Laien stattfindet, besteht jedoch auch die Notwendigkeit, diese Fachbegriffe in Gesprächen mit Patienten und Angehörigen etc. zu vermeiden und/oder so zu übersetzen, dass sie auch ohne spezielles Wissen verstanden werden können. Und auch in der Logopädieausbildung ist es – zumindest zu Beginn – wichtig, spezifische Phänomene nachvollziehbar zu vermitteln und hörerfreundlich in verständliche Worte zu kleiden. Dazu bieten sich unter didaktischen Gesichtspunkten Hörbeispiele an. Damit sind aber jetzt nicht nur nach fachinterner Typologie zusammengestellte Höreindrücke gemeint. Vielleicht können ja auch Klangeindrücke aus der Natur, der Tierwelt usw. ein tieferes Verständnis erzielen. Was damit gemeint ist, soll an zwei Beispielen konkretisiert werden, in denen es um den Bereich „Stimme“ geht. In dem Text „Die Chefin verzichtet auf demonstratives Frieren“ von Max Goldt (in „Die Chefin verzichtet“ Rowohlt, Berlin 2012) beschreibt er stimmliche Auffälligkeiten bei jungen Frauen, die seiner Meinung nach ein Karrierehemmnis bedeuten. Zur Illustration zieht er die Lautäußerungen einer bestimmten Entenart, der Knäkente, heran, die eine „gepresste, ja gequetschte, auf jeden Fall grell und unwarm klingende Stimme“ besitzt, die so klingt wie bei „Heidi Klum, Paris Hilton oder Verona Poth“ (S.39). Aufgrund dieser Beschreibung lässt sich die stimmliche Besonderheit sehr viel eher vorstellen als durch den kühlen Fachbegriff, dass es sich vermutlich um eine „hyperfunktionelle Dysphonie“ handelt.
Selbiges gilt für das zweite Beispiel: In einem Interview mit dem amerikanischen Singer-Songwriter Devendra Banhart in der taz vom 09./10.März konkretisiert er die Anmerkung des Interviewers Julian Weber, die Stimme auf dem neuen Album „Mala“ würde wie eine meckernde Ziege klingen, folgendermaßen: „Meine Stimme klingt ja nicht nach irgendeiner Ziege, sondern nach einer Bergziege, die gerade auf einer Alm gequält wird und um Hilfe schreit.“
Wie erhellend wäre es, wenn solche und ähnliche Hörbeispiele in der Logopädieausbildung zum Einsatz kommen würden. Also ran an die Rekorder und Mikrophone und Ohren aufgesperrt.
Die beiden Beispiele zeigen darüberhinaus, dass ein großer allgemeiner Wortschatz unzweifelhaft auch sehr hilfreich sein kann, um anschaulich und bildhaft Sachverhalte und Phänomene erläutern zu können. Um diesbezüglich eine möglichst umfangreiche Sammlung anlegen zu können, möchte ich alle LeserInnen ermuntern, Zitate, die Sprache, Sprechen und Stimme eindrücklich und originell beschreiben, aus Literatur, Film, Funk und Fernsehen zusammenzutragen (und an die Redaktion zu schicken).
„meine großmutter regte sich so sehr über owen meanys stimme auf,mit der er gegen den mißbrauch seiner person im geheimgang protestierte,daß sie mich zur rede stellte,nachdem owen aus dem haus gegangen war.>du sollst mir nicht beschreiben-niemals,hörst du!-was du dem jungen angetan hast ,das er solche geräusche von sich gegeben hat;aber wenn du es noch einmal tust,dann halte ihm bitte den mund zuhast du schon mal eine maus in der falle gesehenich meine,wenn sie gefangen ist,und ihr kleiner hals ist gebrochen-ich meine ,wenn sie wirklich mausetot ist.also dieser jungekönnte mit seiner stimme solche mäuse wieder lebendig machen!<
und mir drängt sich jetzt der gedanke auf,daß owens stimme tatsächlich die stimme aller ermordeten mäuse war,die wieder zum leben erwachten-beseelt von rachegedanken.
Kommentar in eigener Sache: Gerade lese ich meinem Sohn aus „Tintenherz“ von Cornelia Funke vor, in dem es ja um einen Buchrestaurator namens Mo geht, der in der Lage ist, Figuren aus Büchern heraus zu lesen (uns ist das bis jetzt nicht passiert). Über ihn heißt es: „…mit seiner Stimme, die jedem Wort einen anderen Geschmack gab und jedem Satz eine Melodie.“ oder „Kein Laut war zu hören außer Mos Stimme, die Buchstaben und Wörter zum Leben erweckte.“
Eine andere schöne Beschreibung findet sich in John Green „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, in dem die Protagonistin folgendes empfindet: „Ich mochte seine Stimme, bei der sich meine Haut-mehr-wie-Haut-anfühlt.“
wesentlich weltlicher als die obigen aber ein eindruck und vielleicht kommt diese sammlungsidee ja dann mal in gang:
Katy Munger ,Beinarbeit,-„ich habe Sie gewarnt!“unterbrach Stoltz,aber die Kontrolle über seine Stimme war ihm entglitten.Sie dröhnte wie ein Nebelhorn,das durch den Smog schneidet.Ein jeder machte einen Satz und er schaute peinlich berührt zur Seite
wo seid ihr nur alle?also noch eins aus der vorlese-kathegorie:
andreas steinhöfel,rico ,oskar und die tieferschatten
„also ,ich kann ja auch später noch mal….“.fing der bühl an,und dann versickerte seine stimme wie regenwasser im april in einem gully
oder:
„das tut mir leid für dich“seine stimme war plötzlich so warm,dass ich das gefühl hatte,das ganze winterzimmer um mich herum würde auftauen.